WIRTSCHAFTSSTANDORT Frau und Beruf Rhein-Neckar. Ein unternehmensinternes Beispiel ist WomenREACH Germany, eine deutschlandweite John-Deere-Initia- tive. „Während Mitarbeiterinnen die Hauptzielgruppe sind, ist das Netzwerk offen für alle Mitarbeiter“, erklärt Sharon Stopford, die bei John Deere im Bereich Personalentwicklung tätig ist. Aktuell gebe es 480 Mitglieder, 72 Prozent davon sind Frauen. Sie können beispiels- weise im Leitungsteam der Organisation außerhalb ihrer offiziellen Tätigkeit Führungsfähigkeiten entwickeln. Wichtige Anlaufstelle für Mannheimerinnen und Mannheimer ist au- ßerdem das Kompetenzzentrum Female Business gig7, das früher als Gründerinnenzentrum bekannt war. Rund 250 Frauen pro Jahr gehen hier wie Simone Burel in die Vorgründungsberatung, etwa 70 Prozent von ihnen starten tatsächlich ihr eigenes Unternehmen. Barbara Lim- beck, Leiterin des Kompetenzzentrums, freut sich besonders über die Nachhaltigkeit dieser Gründungen: „Unsere Erhebungen zeigen, dass 80 Prozent von ihnen nach fünf Jahren noch auf dem Markt sind.” Sie findet, dass Mannheim gerade im Bereich Start-up „schon unglaublich gut” aufgestellt ist. Und: „Es gibt auch in Mannheim selbstverständ- lich bemerkenswerte Unternehmerinnen.“ Aber sie erinnert ebenfalls daran, dass es noch viel zu tun gibt, was die Rahmenbedingungen für Frauen in der Wirtschaft angeht. „Wir müssen uns von Stereotypen lö- sen und traditionelle Rollenbilder infrage stellen – und immer wieder über diese Themen sprechen.” Frauen, so die Expertin, müssten aber auch selbstkritisch sein: „Sie müssen wissen, was auf sie zukommt und dass der Weg nicht einfach ist.” Interview mit Dr. Ursula Redeker, Sprecherin der Geschäftsführung der Roche Diagnostics GmbH „DIVERSITÄT IST DER AUSSCHLAGGEBENDE ERFOLGSFAKTOR“ Dr. Ursula Redeker ist überzeugt, dass sich für echte Gleichberechtigung Denkmuster ändern müssen. Foto: Roche ■ Bei den börsennotierten Unternehmen beträgt der Anteil der Frauen in den Vorständen gerade einmal 6,7 Prozent. Glauben Sie, gesetzliche Vorschriften wie die Frauenquote in den Aufsichtsräten werden diese Situation nachhaltig verändern? Dr. Ursula Redeker: Eine Quote hilft sicherlich den Anstoß zu geben, althergebrachte Strukturen aufzubrechen, zu hinterfragen und dadurch Komfortzonen zu verlassen. Häufig ist es in den männerdominierten Führungsebenen noch so, dass bei Neuanstellungen eher danach ent- schieden wird, wer gleiche Denkmuster verfolgt, wer zum Unterneh- men passt, als danach, wer auch frischen Wind bringt. Man sieht, dass sich in den Unternehmen, in denen die Quote nicht verpflichtend ist, derzeit kaum etwas tut. Deshalb halte ich eine gesetzliche Quote als ersten Schritt, als „Mittel zum Zweck“, für sinnvoll. Allerdings betrifft die „Frauenquote“ zum einen ja nur einen recht kleinen Prozentsatz an Führungspositionen, nämlich die, die sich oberhalb der sogenannten „gläsernen Decke“ (siehe QR-Code) befinden. Und zum anderen ist es, um einen wirklichen Wandel zu erreichen, sehr viel wichtiger, dass sich unternehmerisches Denken langfristig ändert. ■ Was verstehen Sie unter einem „wirklichen Wandel“? Redeker: Eine Quote wirkt nur so lange, bis sie erreicht ist. Für echte Gleichberechtigung müssen sich Denkmuster ändern. Ziel sollte eine Unternehmenskultur sein, in der sich Männer und Frauen selbstver- ständlich auf Augenhöhe begegnen und in der es letztlich egal ist, ob eine Führungskraft weiblich oder männlich ist. Die Gleichstellung von Mann und Frau ist nicht nur ein Grundrecht, sondern eine Bereiche- rung sowohl für die Gesellschaft als auch für Unternehmen. Firmen, die das nicht erkennen, verzichten nicht nur auf die Potenziale gut aus- gebildeter Frauen, sondern werden in Zukunft, meiner Meinung nach, nicht mehr wettbewerbsfähig sein. Denn auch Männer suchen Arbeit- geber, die moderne Führungsstile vertreten und flexible Arbeitsmo- delle anbieten, um Privatleben und Beruf unter einen Hut zu bekom- men. Wir wissen, dass heutzutage eine gute Work-Life-Balance eher an ein Unternehmen bindet als Bonuszahlungen. Ein zweiter wichti- ger Punkt ist, dass diverse Teams einen viel größeren Horizont haben, hier kommt mehr Dynamik auf, Prozesse, Strukturen und Entscheidun- gen werden hinterfragt – dies führt zu einer höheren Innovationskraft und zu neuen Ideen. ■ Ist der Führungsstil von Männern und Frauen grundsätzlich unter- schiedlich und würde ein höherer Anteil von weiblichen Führungs- kräften für die deutsche Wirtschaft einen Mehrwert generieren? Redeker: Aus meiner Erfahrung heraus führen Frauen nicht grundsätz- lich anders als ihre männlichen Kollegen. Sie setzen allerdings ande- re Nuancen und Akzente. Der autoritäre Führungsstil, den man eher Männern zuschreibt, ist sowieso veraltet. Heute zählen Einfühlungs- vermögen, Vertrauen, Dialogbereitschaft, Stressresistenz und Multitas- kingfähigkeit – Werte, die man eher Frauen zuschreibt. Damit will ich nicht sagen, dass der moderne Führungsstil weiblich ist. Er ist anders. Diversität ist der ausschlaggebende Erfolgsfaktor – davon bin ich über- zeugt und das ist auch belegt. Der unternehmerische Wert von Vielfalt ist enorm hoch. Man weiß, dass unterschiedliche Führungsstile sich po- sitiv auf die Entwicklung von Unternehmen und letztlich die finanzielle Performance auswirken. Wenn mehr Frauen dort sitzen, wo relevante Entscheidungen getroffen werden, können sie entscheidende Akzente setzen. Ein höherer Anteil an weiblichen Führungskräften bringt Viel- seitigkeit. Die moderne Arbeitswelt, die moderne Wirtschaft verlan- gen diverse Kompetenzen – es macht also nur Sinn, auch die Führungs- etage mit Männern und Frauen zu besetzen. ■ Mehr im Internet: Hier erfahren Sie, was Dr. Ursula Redeker mit dem Begriff „gläserne Decke“ meint. 49